Apartheid in Italien von Giulio di Luzio – das Paradigma des italienischen Rassismus

 

Von Milena Rampoldi, ProMosaik, 5. Mai 2021

Heute habe ich mich mit dem Journalisten und Autor Giulio Di Luzio über sein Buch “Apartheid all’italiana” unterhalten, das heute auch in deutscher Übersetzung von ProMosaik LAPH veröffentlicht wurde. Di Luzio erklärt von einer historischen Perspektive aus, warum unser Land kein gastfreundliches Land ist, sondern eine Apartheid der besonderen, ja der „italienischen“ Art entwickelte. Das Buch in deutscher Übersetzung finden Sie hier.

 

Warum hast du dich dazu entschieden, deinem Buch den Titel „Apartheid in Italien“ zu geben?

Seit dem Ende der Achtziger Jahre verabschiedet Italien ein Einwanderungsgesetz, das auf die Obsession des Notstandes, der Invasion und der öffentlichen Ordnung fokussiert. Diese Einstellung ist bis heute erhalten geblieben und hat eine sicherheitsorientierte Auslegung des Phänomens der Migrationen angeboten, obwohl Italien noch nie die Schwellen des Notstandes erreicht hatte.

Welche Mythen möchtest du mit diesem Buch entkräften?

Vor allem geht es mir um den Mythos der scheinheiligen Anmaßung, Italien sei ein sanftmütiges und gastfreundliches Land, ein Land der Muttersöhnchen und des Gefühls, der Mandoline, der Pizza und der Spaghetti. Die Realität sieht aber vollkommen anders aus. Italien hat sich in diesen 40 Jahren seiner Einwanderungsgeschichte gegenüber den einreisenden Migranten zynisch und rachesüchtig verhalten. Ich spreche hier nicht nur von der von Rechts nach Links vergesellschafteten und transversalen politischen Elite, sondern auch von den Medien, die sich den Diktaten der Politik beugen.

Was möchtest du mit dem Titel deines letzten Kapitels „Das ist nur der Anfang“ aussagen?

Das epochale Phänomen der Migrationen kann in der Welt nicht aufgehalten werden. Denn es steht in einem direkten Zusammenhang zu den demografischen, Umwelt- und politischen Ungleichgewichten. Diese wurden von den westlichen Mächten erschaffen, die obsessiv nach Macht trachten, und den Neokolonialismus in den armen Ländern um jeden Preis aufrechterhalten möchten. Diese armen Länder möchten auch mal die Chance haben, am Tisch der Reichen dieser Welt sitzen, die ihre Länder ausgeraubt haben. Sehr bald werden die unterdrückten Völker den westlichen Imperialismus für die Völkermorde gegen sie zur Rechenschaft ziehen.

Welche Formen des Rassismus finden sich in Italien?

Hierzu äußert sich das Buch vollkommen klar und strikt. Die geäußerten Standpunkte werden auch mit unwiderlegbaren Dokumenten und wissenschaftlichen Daten belegt. Der italienische Rassismus wird im Parlament durch die Verabschiedung einer diskriminierenden Gesetzgebung erzeugt. Er findet dann in den vorherrschenden Mainstream-Medien sein propagandistisches „Ufer“, das wiederum in der Lage ist, die Wahrnehmung des Phänomens durch die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Wie wirkt sich das Coronavirus auf das Panorama des Rassismus in unserem Land aus?

Mit Sicherheit bewirkt es eine Verschlechterung wegen der Einschränkungen der persönlichen und gemeinschaftlichen Freiheiten, die sich schwerwiegend auf die konkreten Lebensräume der Migranten auswirken, denen der Staat gleichgültig entgegensieht. Ein anderer Grund sind die verfälschten Narrative der Medien, welche die Italiener dazu führen, die Neuankömmlinge mit Misstrauen zu behandeln.

Welchen Zusammenhang siehst du in Italien zwischen Kapitalismus, Neoimperialismus und Rassismus?

Der Rassismus ist eine Ausdrucksform der kapitalistischen Weltanschauung und der hegemonischen Formen des Raubs und der Besetzung von Ländereien und der Aneignung der Reichtümer der armen Ländern, den wir als Imperialismus bezeichnen. Italien ist eine Phase dieser Kette, die nichts anderes als ethnische Diskriminierung erzeugen kann.

Erzähl uns von Jerry Masslo.

Jerry Masslo war ein südafrikanischer Flüchtling, der durch die Unterstützung von Amnesty International nach Italien gelangte. Er war in den Jahren der Apartheid vor dem Regime der Rassentrennung von Präsident Botha geflohen. Er kam am 24. August 1989 in einem verlassenen Bauernhaus in der Provinz von Caserta uns Leben, wo er gemeinsam mit anderen Afrikanern nach dem harten Arbeitstag der Tomatenernte übernachtete. Der Mord von Masslo veränderte grundlegend die italienische Wahrnehmung der Einwanderung, die bis zu dem Zeitpunkt vollkommen ausgeklammert worden war. Die politische Elite, die Medien und die sogenannte Zivilgesellschaft erstarrten vor Schreck, als sie von der Ermordung eines Flüchtlings während eines Raubüberfalls im eigenen Land Italien erfuhren. Sein Tod war auch die Geburtsstunde der italienischen Bewegung gegen den Rassismus. Um einen Eindruck des Aufsehens zu vermitteln, den sein Tod erregte, sei daran erinnert, wie sein Begräbnis live im Fernsehen übertragen wurde.

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