Fausto Giudice, Tlaxcala, 5. Mai 2021. Heute, den 15. Januar 2021, ist der 102. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und ihrem Kampfgenossen Karl Liebknecht. Sie wurden in Berlin von den Killern der vorfaschistischen Freikorps auf Befehl des selbsternannten „Bluthundes“, dem Chef der Berliner Polizei Noske, einem Sozialdemokraten, hingerichtet. Wie es im kommunistischen Spruch der 1920er-Jahre hieß: „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! Wer hatte recht? Karl Liebknecht“.
Im November 1918 organisierte das Proletariat der Reichshauptstadt einen bewaffneten Aufstand der Arbeiter- und Soldatenräte nach dem sowjetrussischen Modell. Rosa und Karl befanden sich an der Spitze der unabhängigen Sozialisten, die den Spartakusbund und später di KPD gründeten. Sie gehörten dem revolutionären Flügel an, der mit der reformistischen Sozialdemokratischen Partei gebrochen hatte. Sie hatten sich in den Dienst dieser Revolution gestellt, die genau wie die Pariser Kommune schnell niedergeschlagen werden würde: in Frankreich war es der Kommune nämlich nicht gelungen, sich außerhalb des belagerten Paris zu verbreiten. In Deutschland beschränkte sich der Aufstand nicht auf Berlin. Auch in München wurde eine Bayerische Räterepublik ausgerufen, in Kiel organisierten die Matrosen einen Aufstand, durch welchen sie das Epos des russischen Panzerkreuzers Potemkin wiedererlebten.
Anfang Januar beginnt der Zusammenstoß zwischen den Sozialdemokraten und den Linken der Arbeiter und Revolutionäre. Vom 7. bis 13. Januar organisieren 500.000 Arbeiter einen Aufstandsstreik, der von den Freikorps blutig zerschlagen wird. Jene bereiteten der doppelten Macht ein Ende, indem sie die Hegemonie der bürgerlichen Weimarer Republik unter der Führung des Sozis Ebert wiederherstellten. Rosa und Karl werden von den Milizen gefangen genommen und wenige Stunden später ermordet. Rosas Leiche wird in den Landwehrkanal geworfen. Im Mai 1919 werden die Mörder vor Gericht freigesprochen.
Alle Aufstände der darauffolgenden Jahren werden niedergeschlagen. Auf diese Weise eröffnete die Sozialdemokratie dem Nationalsozialismus eine Königsstraße. Es wird 30 Jahre dauern, bis die überlebenden deutschen Kommunisten, die im Gepäck der Roten Armee zurückkehrten, die DDR ins Leben riefen und eine äußerst originelle ursprüngliche Form der doppelten Macht erfanden: einen kapitalistischen Westen und einen sozialistischen Osten, die durch einen „eisernen Vorhang“ getrennt waren. Und diese Besonderheit dauerte vier Jahrzehnte lang an.
Rosa lebte ein äußerst intensives Leben von 48 Jahren. Als Polin glaubte sie nicht an die von den katholischen Nationalisten und Sozialisten befürwortete „Wiedergeburt der polnischen Nation“. Als Tochter eines gescheiterten Bourgeois konnte sie diese engstirnige Welt nicht ertragen. Als Jüdin unterstützte sie keine Art von Stammesdenken, sei es religiös, politisch (Zionismus) oder gar sozialistisch (der Bund). Als Frau hatte sie keine Angst vor Männern, sie machte Männern Angst (wie Simone de Beauvoir s sagte). Sie wusste sie auch leidenschaftlich zu lieben. Kein Mann hätte es gewagt, sie zu belästigen. Obwohl sie hinkte (sie hatte ein Bein kürzer als das andere), war sie alles andere als behindert. Sie war klein und entsprach nicht den vorherrschenden Schönheitskanonen. Aber sie übte Faszination auf alle aus, die sich ihr näherten, von den sozialistischen Militanten über deutsche, polnische oder russische Arbeiter, bis zu den Leitern und Wächtern der Gefängnisse, die sie fleißig und trotzig besuchte. Sie war einmalig als Stimme, Gehirn und Feder, die mit atemberaubender Geschwindigkeit eine große Anzahl von Texten verfasste. Ihr theoretisches Hauptwerk mit dem Titel Die Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur wirtschaftlichen Erklärung des Imperialismus (1913) wurde in wenigen Monaten fertiggestellt. Sie war internationalistisch orientiert und sprach fünf Sprachen, Jiddisch, Polnisch, Russisch, Deutsch und Französisch. Als Intellektuelle lebte sie ihr Leben in vollen Zügen und liebte die Natur, die Pflanzen und die Tiere. Als Märtyrerin der Revolution war sie an keinem Tag ihres Lebens ein Opfer, sondern eine Kämpferin im wahren Sinne des Wortes.
Ihre letzten gedruckten Worte lauteten nicht #MeToo, sondern: „Ich war, ich bin, ich werde sein! “- eine Zeile des großen revolutionären Dichters und Freundes von Marx, Ferdinand Freiligrath (1810-1876) – am Ende ihres letzten Artikels, veröffentlicht in der Roten Fahne, der Zeitschrift der KPD, am 14. Januar 1919 mit dem Titel Die Ordnung herrscht in Berlin ( Artikel hier lesen).